Mary Anne Kaelin

Die quirlige 83-jährige Mary Anne Kaelin hat eine interessante Familiengeschichte, die vielschichtig mit Einsiedeln verwoben ist. «Seid herzlich willkommen! Ich freue mich, dass ihr mich besucht. Die Schuhe müsst ihr nicht ausziehen.»

Mary Anne lädt unser Team in ihre Eigentumswohnung in ­Louisville ein - drei Meilen entfernt, von wo sie aufgewachsen ist. Ihren zweiten Wohnsitz hat sie in Columbus, Ohio, in der Nähe von Tochter Michelle. Das Hin- und Herreisen macht ihr, die seit vielen Jahren Witwe ist, gar nichts aus: «In vier Stunden Autofahrt schaff ich die 230 Meilen. Kein Problem. Mir ist ­wichtig, immer wieder auch in Louisville, meiner Heimatstadt, zu sein.»

Mary Annes Brüder, George und William Schureck, sind an diesem Nachmittag mit von der Partie. Die herzliche Verbindung zwischen den Geschwistern ist deutlich spürbar. «Mit der Schweiz, mit ­Einsiedeln und Euthal im Besonderen habe ich enge Beziehungen. Mein Mann stammte aus Euthal und wanderte 1948 nach Amerika aus. Und meine Mutter ist ursprünglich aus Einsiedeln - sie hiess mit Mädchenname Schoenbaechler. Ihr Vater kam als 20-Jähriger im Jahre 1883 aus Egg auf die Kaelin-Farm in Louisville. Mein Vater war Deutscher und hiess Schureck.»

Mary Anne wurde von Vicky Ullrich-Birchler angefragt, ob sie am «Einsiedeln anderswo»-Projekt mitmachen möchte. Sie sagte spontan zu. «Ich finde es wichtig, dass jüngere Generationen erfahren, ­warum ihre Vorfahren in dieses Land ­kamen, und dass sie wieder ­Kontakte zu ihren Verwandten in Einsiedeln knüpfen. Viele wissen gar nicht mehr, dass sie welche im Kanton Schwyz haben. Ich glaube, darum waren auch so viele Menschen am Infoabend zum Projekt in Louisville. Sie dürsten nach Information. Und ich selbst möchte gerne mehr erfahren, was in den 1850er Jahren und später passierte.»

Martin Joseph Schoenbaechler malte seine Farm 1901.

Mary Annes (Liebes-)Geschichte mit Einsiedeln ist eine spezielle: «Mein Onkel J.J. Kaelin, der auf einer grossen Milchfarm in Louisville lebte, bekam 1950 wochenlang immer wieder Briefe aus Euthal, die an einen J.J. Kaelin adressiert waren - deren Inhalt war jedoch eindeutig nicht an ihn gerichtet! Was tun? ­Seine Frau (meine Tante Clara, die Schwester meines Vaters) ­beauftragte ihre Tochter, Buchhalterin in der Stadt, mit der detektivischen Suche nach dem unbekannten J.J. Kaelin in Louisville. Innert zweier Tage klärte sich die Situation: Jeremy Joseph Kaelin, ­Ingenieur bei Whayne Supply Co., war gefunden.» Sehr kurzfristig hatte sich der junge Einsiedler nach zwei Jahren in Akron, Ohio, für eine ausgeschriebene Stelle in Louisville entschieden.

Martin Joseph Schoenbaechler und Josephine Kaelin Schoenbaechler.

In der Hitze des Gefechts habe er aber völlig vergessen, seine Mutter, Posthalterin in Euthal, über seinen Umzug zu informieren. Und so sandte sie ihre Schreiben weiterhin nach Akron. Nur dank der Umsicht der lokalen Postbeamten seien die Briefe nach ­Louisville weitergeleitet worden - und landeten bei J.J. Kaelin auf der Farm. «Mein Onkel, eigentlich nicht Heiratsvermittler, fand, ich müsse diesen jungen Einsiedler unbedingt kennenlernen. Nach dem Abholen der Briefe kam der junge Mann immer wieder zu ihnen auf Besuch, und eines Tages war auch ich da… so begann unsere Lovestory.» Mary Anne zeigt uns die besagten Luftpostbriefe aus Euthal, feinsäuberlich mit Schreibmaschine ­geschrieben - wertvolle Erinnerungen für sie.

«Jeremy Joseph und ich - wir waren echt für einander bestimmt, und wir heirateten 1953. Fünf Kinder wurden uns geschenkt. Unser ältester Sohn Joseph, lebt seit Jahrzehnten als Ingenieur in der Schweiz, und ­William, Pilot und Captain bei der American Airlines, fliegt oft nach Europa und in die Schweiz. Unser dritter Sohn, David, kam leider 1990 während einer Klettertour am Fluebrig ums Leben. Unsere Familie war damals in Euthal in den Ferien - der Unfall war ein gewaltiger Schock, ein schwerer Schicksalsschlag für uns alle.» Tochter Michelle lebt in Columbus und ­Catherina Anne in Cincinnati. Mary Anne Kaelin hat sehr viel Kontakt zur Familie ihres ­verstorbenen Mannes. «Die grosse ­Familie, unsere Einsiedler ­Verwandten, leben rund ums ehemalige Hotel Post in Euthal.»

1969, zwanzig Jahre nach seiner Auswanderung, flog Jeremy ­Joseph Kaelin mit seinem Sohn das erste Mal mit dem eigenen 7-­Plätzer-Flugzeug über den Atlantik nach Europa. «In den 1980er Jahren bis 1995 hatten wir in den Ferien jeweils eine Wohnung im Hotel Post bei meiner Schwägerin. Ich liebe Euthal und die ­Region um Einsiedeln. 2014 war das erste Jahr, in dem ich nicht in die Schweiz reiste.» Aber die rüstige Seniorin hat Pläne: «Wir versuchen, im Herbst dieses Jahres mit der ganzen Familie in die Schweiz zu fliegen. Es ist nicht einfach, gemeinsame ­Termine zu finden, aber wir alle wollen die Wurzeln zu Einsiedeln nicht vergessen, nie und nimmer. Und ich selbst möchte gerne weitersuchen - nach den Spuren meiner Schoenbaechler­-Kaelin-Vorfahren.»

Mary Anne Kaelin (*1932)

Grosseltern

  • Martin Joseph Schoenbaechler (1863 – 1931) Oberegg und Louisville
  • Josephine Kaelin Schoenbaechler (1869 – 1919) Louisville

Eltern

  • George Schureck (1907 – 1984)
  • Mary Magdalena Schoenbaechler Schureck (1906 – 1962)

Ehemann

  • Jeremy Joseph (J.J.) Kaelin (1923 – 1998) Euthal und Louisville
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