David Kaelin, unser Gastgeber, und Peter Guetig wohnen beide in Louisville und haben die gleichen Kaelin-Urgrosseltern. Das sei bei der Vielzahl von Nachkommen von John Martin und Katharina Kaelin schon möglich, meint David. «Ich freue mich riesig, dich kennenzulernen, Peter.»
John Martin und Katharina wanderten Anfang der 1860er Jahre aus Einsiedeln nach Louisville aus. Sie hatten in Amerika bald eine grosse Familie mit zwölf Kindern und bewirtschafteten einen Bauernhof. 1884 starben beide innert dreier Monate an schlechtem Wasser aus dem eigenen Brunnen. «Eine schrecklich tragische Familiengeschichte - und unsere gemeinsamen Wurzeln. Peters Grossmutter ist das älteste dieser zwölf Waisenkinder, Josephine. Und mein Grossvater das neunte Kind, Benedict Martin Kaelin Senior. Die 17-jährige Josephine heiratete 1868 in Louisville den Einwanderer aus Oberegg, Martin Joseph Schoenbaechler. Und die elf Waisenkinder - darunter mein Grossvater Benedict Martin - wuchsen im St. Joseph’s Orphanage Home auf.»
Davids Grossvater konnte sich später eine Milchfarm an der Preston Street und Locust Lane in Louisville kaufen und bewirtschaftete diese zusammen mit seiner deutschen Frau Pauline Graf, die er 1907 in der St. Phillip Neri Catholic Church in Louisville heiratete.
Spring Grove Dairy hiess der Betrieb, und er verkaufte seine Milch mit dem Pferdewagen weit in Louisville herum. David Kaelin: «Das bäuerliche Erbe meiner Einsiedler Vorfahren habe ich in Fleisch und Blut. Mein Vater Benedict Martin Junior, geboren 1915, das mittlere von drei Kindern und der einzige Sohn, wuchs dann auf dem Bauernhof an der Shelby Street, in der Nähe der St. Martin of Tours Catholic Church auf. Rundherum waren zu jener Zeit noch Bauernhöfe von Einsiedler Einwanderern. Erst später, 1950, kauften meine Eltern die Farm, auf der ich mit meiner Familie noch heute lebe - etwas ausserhalb der Stadt Louisville. Ich erinnere mich, dass Vater zeitweise 300 Schweine im Stall hatte und immer viele Kühe.»
Grün und grün-blau sind die Wiesen und Felder von David Kaelin - so weit das Auge reicht. Auf der 25-Hektaren-Farm wächst das Native Indian Blue Grass, «wie zu den Zeiten, als hier die Indianer mit ihren Büffeln lebten. Sie wussten genau, wie man wirtschaftet. Darum hab ich dieses Gras wieder ausgesät. Die bläulich schimmernde Pflanze hat richtig tiefe Wurzeln und wächst wie verrückt auch bei grosser Trockenheit im heissesten Kentucky-August. Und für die Vögel und die Hasen ist es ein Paradies. Rund um uns herum stehen sehr alte Bäume, der Caltapa (Trompetenbaum) ist mein liebster.»
David kommt ins Schwärmen. Man spürt, er liebt die Natur. Er hat zwar keine Kühe mehr in der Scheune, sondern verkauft vorwiegend das selbst produzierte Heu. Er ist Bauer durch und durch und setzt sich als Vorsitzender des Jefferson County Conservation District (Naturschutzgebiet) für eine nachhaltige Landwirtschaft, den Schutz der Böden und des Wassers ein. Und zwischendurch repariert er mal wieder alte Autos oder pflegt seinen 1965er Chevrolet! «Ausserdem spielt die Musik in unserer Familie eine grosse Rolle.» Davids Sohn Daniel spielte Violine im Schulorchester, nun spielt er für seinen Sohn, Guy Kaelin. Der ältere Sohn Walter hat mit «Muddy Waters» eine eigene Blues- und Rock-Band.
Die Wurzeln nach Einsiedeln sind David wichtig, obwohl er noch nie dort war. «Ich war wohl schon in allen US-amerikanischen Nationalparks. Aber über den Kontinent hinaus will ich nicht. Meine Frau Eileen war vor ein paar Jahren mit unserem Sohn Walter in Einsiedeln auf den Spuren meiner Vorfahren. Auf dem Einsiedler Verkehrsbüro haben sie ihr die Telefonnummer von einer Susann Bosshard-Kälin in Egg gegeben. Mit der müssten sie sprechen! Sie liess es bleiben - und holts halt erst heute nach! Die Schweiz symbolisiert für mich Frieden und friedliche Menschen, die auch unter Druck ruhig bleiben. Diese Schweizer Tugend will ich für mich leben.»