Der 82-jährige Edwin (Ed) Oechslin hat multiple familiäre Verbindungen nach Einsiedeln. Und es braucht etliche Skizzen und Erklärungen, bis diese für Aussenstehende verständlich sind. Um es kurz zu machen: Ed ist väterlicherseits ein Oechslin, grossmütterlicher- und mütterlicherseits mit verschiedenen grossen Kaelin-Einwandererfamilien aus Euthal und Willerzell verwandt. Bei Eds Geschichte wird deutlich, dass die im 19. Jahrhundert ausgewanderten Einsiedler in Louisville einen sehr engen Kontakt zueinander hatten - ungewöhnliche Familienbande zeugen noch heute davon!
Die 59-jährige Denise Oechslin Hill pflegt den Kontakt mit den Verwandten in der alten Heimat aktiv: «Ich bin mit Facebook und E-Mails mit ihnen verbunden.» Wer war denn der Erste aus der Oechslin-Sippe, der aus der Innerschweiz nach Amerika auswanderte? Ed: «Mein Grossvater Louis, der Bauernsohn aus Bennau, kam 1891 zusammen mit seinem Bruder Mathias nach Louisville. Sie kamen, weil sie sich hier bessere Chancen fürs Leben erhofften. Überdies hatten sich schon viele Einsiedler hier niedergelassen. Louis ging nie mehr in seine alte Heimat zurück.»
Louis D. Oechslin wurde 1867 im «Scharten» in Bennau geboren und wuchs auf dem Bauernhof zusammen mit sechs Geschwistern auf. Mit 24 Jahren reisten er und sein sieben Jahre jüngerer Bruder Mathias ins ferne Amerika - ein Job stand den beiden schon vor Abreise in Aussicht. Sie arbeiteten als Melker auf der Milchfarm des Einsiedlers Dominic Zehnder in St. Matthews und lernten dort ihre zukünftigen Frauen kennen. Mathias heiratete Mathilda Zehnder und Louis im Februar 1897 die Vollwaise Katherine Marie Kaelin - beide Frauen waren aus Louisville und beide hatten Einsiedler Wurzeln.
Als Katherine heiratete, konnte sie das Waisenhaus St. Joseph, in dem sie mit ihren zehn Geschwistern nach dem früher Tod der Eltern lebte, endlich verlassen. Das Paar kaufte sich für 2000 Dollars eine 24-Hektaren grosse Farm in Jefferstown, Kentucky. Dort betrieben sie Milchwirtschaft und bauten in grossem Stil Zwiebeln an. Hier zogen sie auch ihre sechs Söhne und zwei Töchter auf. Ed Oechslin: «In einen Lebensmittelladen sind meine Grosseltern wohl kaum gegangen. Sie waren Selbstversorger. Ich erinnere mich gut an sie. Beide waren liebenswürdige und sehr arbeitssame Menschen. Grossvater sprach oft Schweizerdeutsch.»
Das Farmerleben prägte auch die Generation von Eds Vater: «Edwin Benedict Joseph, das vierte Kind der Familie, lebte bis zu seinem 30. Lebensjahr daheim auf der Farm und heiratete - auch er - eine Kaelin. Aber natürlich aus einem anderen Stamm, keine Cousine! Josephine Louise Kaelin, meine Mutter, war das jüngste von sechzehn Kindern in Louisville, deren Eltern von Willerzell ausgewandert waren. Ich erinnere mich, dass Mutter noch Schweizerdeutsch sprach. Mit uns Kindern aber nicht mehr.
Meine Eltern waren ebenfalls Milchbauern und pflanzten Kartoffeln an - dafür war unsere Gegend ja weitherum bekannt. Sie lebten mit uns Kindern auf der Farm meines Grossvaters, Anton (Andy) Jacob Kaelin - zusammen mit der Familie von Mutters Bruder, Carl Kaelin. Ich bin auf der Kaelin-Farm geboren - und verbrachte viel Zeit mit meinem Cousin Gilbert Kaelin. Er ist der Jüngste von zehn Kindern, und ich der Älteste von sechs. Wir verstanden uns immer sehr gut. Auf dem Hof war an den Sonntagen immer ein Kommen und Gehen mit all den vielen Schweizer Verwandten, die sich bei uns trafen. Das war wunderbar. Und wir verbrachten viel Zeit in der Swiss Hall. Speziell ist, dass Gilbert und ich mit zwei Schwestern ausgingen und sie später heirateten. Mit meiner verstorbenen Frau Mary Jean habe ich drei Kinder, Denise, Kevin und Lori.»
Ed verbrachte die Jahre 1957 bis 1959 als Instruktor der US-Army in Fort Belvoir, Virginia. «Denise ist während dieser Zeit geboren. Später arbeitete ich fünfzehn Jahre bei General Electric Co. als Motorenreparateur.» 1971 machte Ed sich selbständig. «Im meinem Betrieb arbeitet ein Teil meiner Familie: Tochter Denise, ihr Mann Mike Hill, mein Sohn Kevin, Enkel Matt, meine Schwester Jean und Neffe Paul Nichter. Wir flicken alle Arten von elektrischen Motoren. Und ich bin auch als Senior noch an fünf Tagen in der Woche im Betrieb.»