Sie haben viel Gespür und Interesse an Genealogie, und ihr jährlich stattfindendes Familienfest mit Dutzenden von Verwandten verschiedenster Generationen hat eine lange Tradition. Ihre Familiengeschichte ist sehr sorgfältig gestaltet und weist auf starke Wurzeln in Bennau und Einsiedeln hin.
Kathy Mary Zehnder Monroe, Tom Zehnder, Joan Zehnder, Carol Fessler Zehnder, Rick Zehnder und Martin «Buzzy» Storch - sie alle treffen wir an einem Sonntag daheim bei Kathy Zehnder Monroe in St. Matthews. Sie sind teils Geschwister, teils Cousins oder Cousinen. Und sie alle stammen ursprünglich vom Einwanderer Joseph Dominik Zehnder aus Bennau ab; sie sind Nachkommen von Kindern seiner ersten Frau Josephina Maria Anna Benedicta Schaedler Zehnder aus Einsiedeln oder von Elisabetha Fuchs Zehnder, seiner zweiten Ehefrau.
Auf dem Segelschiff «Challenge» reisten Joseph Dominik und seine Verlobte Josephina Maria Anna Benedicta Schädler 1854 von Le Havre aus nach New York. Die Überfahrt dauerte damals mehrere Wochen. Wie sie von New York nach Louisville weiterreisten ist nicht überliefert. Vier von Dominiks Brüdern brachen im Verlaufe der Jahre ebenfalls in die Neue Welt auf und heirateten in den USA Frauen mit Einsiedler Wurzeln.
Tom, der Highschool-Lehrer, weiss: «Dominik Zehnder ging nach sieben Jahren, 1861, wieder zurück in seine alte Heimat. Er und seine Frau bekamen dort ein Kind, Theresia (1863-1865); es starb in Einsiedeln. Sie kamen erst nach dem Civil War, 1865, nach Louisville zurück. Vielleicht wollte er nicht in den Krieg eingezogen werden. Wir wissen es nicht.»
Joseph Dominik hatte mit seinen zwei Frauen elf Kinder (acht von der ersten Frau und drei von der zweiten). Darum auch ist der Clan der Zehnder der Milch-Dynastie in Louisville so gross. Carol, pensionierte Büroangestellte, ergänzt: «Es gibt einen zweiten Zehnder-Zweig mit Wurzeln nach Einsiedeln in Louisville. Diese Leute waren Spengler und Sanitäre, mit denen haben wir aber keinen Kontakt.»
Es geht laut zu und her, und es wird viel gelacht an diesem Nachmittag in St. Matthews. Kathy und ihr Mann Dennis (übrigens auch mit Einsiedler Wurzeln) sind hervorragende Gastgeber. Feine Häppchen, Wein und Kentucky Bourbon Whiskey werden herumgereicht, eine Menge Familienfotos und Dokumente mit dazu. Und immer wieder fallen Sprüche. So bemerkt Tom trocken: «Es ist ratsam, in Louisville nie etwas Schlechtes über jemanden zu erzählen. Es könnte ja sein, dass er oder sie mit dir verwandt ist und du weisst es gar nicht!»
Immer wieder kommt im Laufe des Nachmittags der Name von Alfred Zehnder ins Spiel. Der entfernte Cousin aus Einsiedeln, der mit seinen Louisviller Verwandten guten Kontakt pflegte, hatte die Geschichte der Familie bis ins 15. Jahrhundert zurück genau studiert und dokumentiert - und die Verwandten in Amerika mit Stammbaum, Informationen, Büchern und unzähligen Daten versorgt. Carol: «Eine grossartige Geschichtsschreibung, für die wir sehr froh und dankbar sind. Nach dem Tod von Alfred (1927-2014) sind wir nun noch stärker mit seiner Tochter, Edith Zehnder Mettler in Einsiedeln, verbunden. Wir haben regen Austausch per E-Mail, besuchen sie immer wieder mal in der Schweiz. Und natürlich war sie auch schon bei uns. Sie ist unsere Brücke zum Heimatort unserer Vorfahren.»
Die Zehnders in Louisville, mit denen wir uns unterhalten, sind währschafte Amerikaner, aber es wird deutlich, dass sie auf ihre Schweizer Wurzeln sehr stolz sind. Tom: «Zu wissen, woher wir ursprünglich kommen, ist für uns sehr wichtig, gibt uns Identität. ‹Heritage› wird hier in Amerika immer weniger gepflegt. Wenn unsere Jungen im Moment auch kaum mehr Zeit finden, sich mit ihrer Familiengeschichte zu befassen - wir haben alles dokumentiert und können es weitergeben.» Und mit einem Augenzwinkern ergänzt er: «Mein Grosskind, siebte Generation, heisst übrigens auch wieder Dominic - Dominic Zehnder. Ist das nicht wunderbar.»
Der erste Zehnder-Einwanderer aus Einsiedeln, Joseph Dominik, war Bauer und begann mit Milchwirtschaft in Louisville. Das verstand er, und daneben auch den Kartoffelanbau. Bald wurden die Zehnders in der St. Matthews-Gegend bekannt - mit ihren Milchfarmen und den Milchlieferungen von Haus zu Haus. Jahrzehntelang waren sie mit Pferd und Wagen unterwegs. Tom: «Es wird die Geschichte erzählt, dass die Zehnders nach dem Vertragen der Milch jeweils so müde gewesen seien, dass sie auf der Heimfahrt auf dem Wagen einschliefen - die Pferde hätten den Heimweg genau gekannt und alleine zurückgefunden!» Bis Anfang der 1960er Jahre waren die Zehnders im Milchgeschäft der Stadt an vorderster Front tätig. Bis keine Milchmänner mehr nötig waren, weil die pasteurisierte Milch im Supermarkt aus dem Gestell gekauft werden konnte.
Die Zehnders integrierten sich, wie viele der Einsiedler Familien, im Verlaufe der Generationen sehr gut in Louisville; in der Gegend um St. Matthews wohnen auch heute noch einige von ihnen. Es ist eine wohnliche Gegend mit vielen kleinen Geschäften und guten Restaurants. Joan, Malerin und Kunsttherapeutin: «Nirgends in Louisville wachsen mehr Bäume als hier. Man hat noch etwas wie ein Dorfgefühl, und der Markt ist Tradition.»
Das Schweizerische ist bei den Zehnders in den Hintergrund getreten. Und heute spricht niemand mehr Deutsch. Tom versucht’s mit einigen Brocken, die er noch aus seiner Highschool-Zeit kennt! Er war noch nie in Einsiedeln, im Gegensatz etwa zu Joan, für die das Landen in Zürich-Kloten jedes Mal wie ein Heimkommen ist. «Ich liebe Einsiedeln, war schon oft dort. Einmal sogar während sechs Wochen. Edith, meine Cousine, ist sehr wichtig für mich. Ich hoffe sehr, dass sie uns mit ihrem Bruder bald mal wieder in Louisville besucht. Es ist mein Traum, ein grosses Zehnder-Fest in Einsiedeln mit allen Verwandten von hüben und drüben zu organisieren!»