Die Büchergestelle in der Stube sind fein säuberlich geordnet: eines für Belletristik, eines für Sachbücher. Die Buchrücken tragen Titel wie «Where Is God When It Hurts?», «Surprised by Truth», «The Meaning of Jesus». Der Name Jesu kommt auffallend häufig vor. Jason mag Tiefsinniges: Bücher, Geschichte und Religion, eine eigene Familie. An den Wänden hängen gerahmte Fotos, welche den 32-Jährigen mit seiner Frau Dana und seinen zwei kleinen Kindern zeigen. Auf einigen der Fotos trägt Jason einen Bart, welcher mittlerweile verschwunden ist.
Im College sei er eher einer der «Computer-Jungs» gewesen, sagt Jason und lacht. Damals habe er sich auch für Genealogie zu interessieren begonnen. Als andere in seinem Alter Basket- oder Baseball spielten, ging er in die Bibliothek und sammelte Informationen über seine Familiengeschichte.
Sein Urgrossvater Ludwig Fuchs (1888-1924), von Beruf Holzschnittmacher (woodcutter), kam 1910 als junger Mann von Einsiedeln nach Louisville. Hier heiratete er bald darauf eine Mary Gyr. Vielleicht eine Verwandte von ihm? Der Mädchenname von Ludwigs Mutter war ebenfalls Gyr gewesen. 1924 starb Ludwig, welcher sich in seinem neuen Leben in Amerika Louis nannte. Seine Frau blieb mit sieben Kindern zurück. Eines davon war Jasons Grossvater Albert (1921-2004). Mary Angela Mudd Fuchs, Jasons Mutter, sagt, ihr Schwiegervater Albert Fuchs sei - wie auch ihr Mann, John Louis - nie sonderlich verbunden gewesen mit der Schweizer Gemeinschaft in Louisville. Früher sei man hie und da zu den «Swiss Picnics» und Schweizer Tanzanlässen gegangen. Albert sei vielleicht auch Mitglied in einem der lokalen Vereine gewesen. Irgendwann hätten sie aber alle aufgehört hinzugehen.
Ausser Namen und Zahlen konnte Jason letztlich wenig über seinen Urgrossvater und dessen Herkunft herausfinden. Sein früher Tod habe einen bleibenden Graben aufgerissen zwischen der Familie und der alten Heimat in der Schweiz, glaubt Jason. Keine Fotos, aus denen tatkräftige Vorfahren stolz herausblicken, zieren die Wände in Jasons Haus, keine alten Briefe, keine Postkarten sind mehr da.
2014 ist Jason zum Katholizismus konvertiert. Aufgewachsen ist er presbyterianisch. Jasons Mutter erklärt: Sie und ihr Mann seien beide in einem katholischen Milieu aufgewachsen. Als Kind habe sie gar nicht gewusst, dass es noch andere Bekenntnisse gebe als den Katholizismus. Presbyterianer hielt sie damals für ein Synonym für Ausländer, sagt sie und lacht. Doch irgendwann habe ihr Mann aufgehört zur Kirche zu gehen, und sie habe angefangen, mit den Kindern die presbyterianische Kirche zu besuchen.
Jason sieht einen Zusammenhang zwischen seinem Interesse für Geschichte, Genealogie und seiner religiösen Überzeugung. «Ich mag das Gefühl, ein Teil von etwas Altem und Grossem zu sein», sagt er. Begeistert erzählt er beispielsweise von einer Reise nach Schottland, wo sogar die neuen Stadtteile manchmal älter seien als die Altstädte («old towns») in Amerika. Gerne möchte er auch einmal das Kloster Einsiedeln besuchen. Er habe gelesen, es sei mehr als 1000 Jahre alt.
Jasons Frau Dana ist gemeinsam mit ihm ebenfalls zum Katholizismus konvertiert. Er musste sie bearbeiten, bis sie überzeugt und dazu bereit war. Während unseres Besuchs ist sie mit den Kindern und ihrer Mutter im Park. Wie er selbst sei seine Frau in Louisville geboren und aufgewachsen, erzählt Jason. Und hier möchte die Familie auch bleiben. Hier hat sie ihre Wurzeln. Louisville sei ein guter Ort zum Leben, sagt Jason. Und wenn man hier geboren sei, dann bleibe man.