Mike A. Bisig

«Wir Bisigs sind hard workers.» Man glaubt’s dem stämmigen Mittsechziger aufs Wort. Seine kräftigen Hände sprechen Bände. Die sind das Anpacken gewohnt. Während 47 Jahren war er im Beton-Bau­gewerbe tätig – aber sein Herz schlägt seit Kindsbeinen fürs Milchbusiness der Familie.

Vater Paul riet seinem Sohn zu einer eigenen Firma im handwerklichen Bereich - die Supermärkte liefen den Milchmännern Ende der 1960er Jahre den Rang ab! Grossvater Bisig hatte als 19-Jähriger den Grundstein fürs Geschäft gelegt: Der innovative Farmer, Meinrad Joseph Bisig, Sohn eines Einwanderers aus Einsiedeln, erhielt im Jahre 1900 die erste offizielle Milchmänner-Genehmigung in Louisville. Er und seine amerikanischen Frau Mary Josephine Clephas zogen acht Kinder gross und bewirtschafteten ein acht Hektar grosses Landstück mit acht oder neun Kühen.

Ein Pferdewagen für den Milchtransport.

Alles war noch sehr einfach und die Leute waren nicht verwöhnt. Anfänglich lieferte Meinrad Joseph mit dem eigenen Pferdewagen die Milch in grossen Kannen von Haus zu Haus - und füllte sie jeweils bei den Leuten ab. Aber schon 1912 begann er mit Milchflaschen. Er gehörte auch zu den Pionieren, die die Milch pasteurisierten. Bisigs hatten bald einen guten Namen als zuverlässige Lieferanten von hochwertigen Produkten. Zwei Söhne, Paul A. Bisig, geboren 1910, und sein Bruder Tony traten bald in die Milchmänner-Fussstapfen. Mike erzählt: «Die Milchauslie­ferung begann in den 20er und 30er Jahren jeweils schon frühmorgens um 2 Uhr, später dann um 4 oder 5 Uhr - und das sieben Tage in der Woche.»

Anthony J. Bisig und seine beiden Kinder, 1951.

Als der Firmengründer 1943 starb, übernahmen Paul und sein Bruder die Firma und vergrösserten sie auch. «Vater belieferte die Privatkunden, mein Onkel Spitäler und Firmen. Wir hatten 1960 den ersten rollenden Kühlschrank in unserem Truck.»

Louisville ist sehr heiss im Sommer. Jahrzehntelang musste jeweils Eis zur Kühlung in die Wagen gefüllt werden. In der Stadt verteilt, gab es überall Eishäuser, die dieses kostbare Gut verkauften. «Ich erinnere mich gut, wie aufwändig das Kühlen war. Vater hatte eine isolierende Milchbox entwickelt; die konnte er den Kunden jeweils vors Haus stellen, und die hielt den Inhalt vier bis fünf Stunden kühl. Das alles kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen!»

Als Achtjähriger wird auch Mike (geboren 1950) auf die Milchtouren mitgenommen. «Ich habe Milch im Blut und bin sehr stolz auf unsere Milchgeschichte.»

Paul A. Bisig, der letzte Louisviller Milchmann, 1973.

2001 stirbt Vater Paul Bisig im Alter von 91 Jahren. «Es war ein herber Schlag für mich. Er war ein toller Kerl, ein Milchmann aus Leidenschaft.» 80 Jahre lang hatte Paul Bisig, immer wieder auch unter Mithilfe seines Sohnes, die treue Kundschaft gepflegt - 350 bis 400 Haushaltungen in Louisville. Er belieferte sie mit Milch, Cottage-Cheese, Käse, Butter, Joghurt und auch Eiern. Nach seinem Tod machte Mike Bisig die Touren als Milchmann weiter, neben seinem Job im Baugewerbe. «Die Kunden baten mich darum. Ich wollte sie nicht enttäuschen. Das Milch-Business gehörte einfach zu mir.»

Artikel aus dem «Courier-Journal», 2005.

Am 22. Dezember 2005 verteilt Mike im 1960er-Chevi die letzten Milchflaschen in Louisville. Es wird eine sehr emotionale ­Abschiedstour zu den 80 Kunden in den Highlands und in Audubon Park. Ein Journalist begleitet Mike, den Milchmann, auf seiner allerletzten Tour und beschreibt in einem Artikel im «Courier-Journal» das Ende einer Ära. Es ist eine Hommage an die stadtbekannte Milchmänner-Familie Bisig. «Es hat geschmerzt, eine hundertjährige Familientradition aufgeben zu müssen. Aber: Es war an der Zeit!»

Mike und seine Frau Vicki wohnen in einem schmucken Haus im Osten der Stadt, in Seneca Vista, und sind stolze Eltern von vier Kindern und mittlerweile sieben Grosskindern. Die Jüngste, Olivia, ist am Interviewmorgen bei den Grosseltern auf Besuch - ein kleiner Sonnenschein! Mike: «Meine Grosseltern hatten sechzig Gross­kinder. Sie können sich vorstellen, wie riesengross unsere ­Familie heute ist. Viele davon leben in Louisville. Ich kenne sie alle, die Cousinen und Cousins ersten, zweiten, dritten und ­vierten Grades!»

Die Familiengeschichte wird gepflegt. «Unser Urgrossvater, Anton Bisig, stammt ursprünglich aus Trachslau bei Einsiedeln. Im Alter von 20 Jahren ist er 1865 nach Louisville ausgewandert. Hier hat er ein Mädchen von Zuhause geheiratet - die Magdalena Kaelin aus Einsiedeln.

Hochzeitsfoto von Meinrad Joseph Bisig und Mary Josephine Bisig-Clephas, 1920.

Die beiden liessen sich in Crestwood, Jefferson County, nieder. Aber schon mit 24 starb Magdalena an einer Durchfall-Erkrankung. 1875 heiratete Anton die Regina Schuler - auch eine Frau mit ­Innerschweizer Wurzeln. Mit ihr hatte er vier Kinder - darunter meinen Grossvater Meinrad Joseph Bisig. Aber auch diese Frau starb mit 42 Jahren an Auszehrung - und so wuchsen mein Grossvater und sein Bruder Fred auf der Schuler-Farm in Crestwood bei einer Tante auf. Grossvater hatte die Kühe zu melken.

Immer wieder hörten wir die Geschichte, dass er als 19-Jähriger hoch zu Ross die 25 Meilen zu einem Fest in die Stadt Louisville geritten sei und dort meine Grossmutter, die drei Jahre ältere Mary Josephine Clephas aus Louisville, getroffen habe. Liebe auf den ersten Blick sei es gewesen, er habe sie bald geheiratet. Die ­junge Frau wollte aber lieber in der Stadt als draussen auf dem Land leben, und so kam das Paar zur Pacht in die Highlands, an die 1923 Newburg Road.»

Mike Bisig zuzuhören ist sehr angenehm - er ist ein guter ­Erzähler. Neben der Liebe zu seiner Familie und zur Milch wird auch deutlich, wie sehr er seinen Beruf mag, in dem ihn seine zwei Söhne Todd und Brad tatkräftig unterstützen. «Ich lernte das Bauhandwerk - das construction business - von den Italienern hier in Louisville. Mit einem Schubkarren und einer Maurerkelle habe ich bei Mazzoli angefangen. ‹Learning on the job› war die Devise. Ich liebe es einfach, mit den Händen zu arbeiten.»

Milchflasche, 1912.
Bestellformular für Milchprodukte, 1945–2005.

Mike A. Bisig (*1950)

Urgrosseltern

  • Anton Bisig (1845 – 1906) Trachslau, Louisville
    Sohn von Meinrad Coelestin Bisig und
    Anna Catharina Oechsle, Trachslau
  • 1. Frau: Magdalena Kaelin (1850 – 1874)
    Einsiedeln und Louisville
  • 2. Frau: Regina Schuler (1849 – 1892)
    Schweiz und Louisville
    vier Kinder: Frederick D., Meinrad David,
    Regina und Meinrad Joseph Bisig (1881 – 1943).
  • 3. Frau: Barbara L. Haag (1869 – 1937) Louisville

Grosseltern

  • Meinrad Joseph Bisig (1881 – 1943)
  • Mary Josephine Clephas, Louisville
    Vater

  • Paul Ambrose Bisig (1910 – 2001) Louisville
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