Miltons Vater Emil bot Hilfe an, als keiner wusste wohin mit den Akten des Gruetli-Vereins. Seither sind die wertvollen Dokumente aus dem 19. Jahrhundert, die Gründungsschriften, Protokolle, Mitgliederverzeichnisse und Bücher der Gruetli Helvetia Society in einem grossen Stahlschrank aufbewahrt, in einer der Scheunen auf der Farm der Kaelins. Das Schweizerische hatte immer eine grosse Bedeutung im Familienleben von Milton. Er hörte die Erzählungen seiner Grosseltern, und mit den Eltern verbrachte er als Kind viel Zeit in der legendäre Swiss Hall in Louisville.
«Ich wuchs mit Schweizer Musik auf - sie gehört zu meinen ersten Kindheitserinnerungen. Mein Vater und seine Brüder und Schwestern spielten Akkordeon oder Klavier. Die Swiss Hops, die Tanzveranstaltungen mit Polka, Walzer, Schottisch und Jodel-Einlagen, waren legendär. Meine Grossmutter und einige der Tanten konnten richtig jodeln. Die Schweizer Einwanderer hatten einen engen Kontakt zueinander. Dieser Kontakt ist heute schwächer geworden, aber er ist noch immer da.» Die Gruetli Helvetia Society ist die letzte Schweizerbastion in Louisville, und Milton Kaelin ein treues Mitglied. Er ist seit 1960 registriert und hatte wohl schon alle Funktionen in der Society inne. Er amtete als Präsident, Vizepräsident, Schatzmeister, im Finanzkomitee - nur Sekretär war er nie.
«Zurzeit sind wir etwa hundert Mitglieder, und immer noch alles nur Männer.» Als der Verein 1850 gegründet wurde, war sein Ziel, den Neueingewanderten finanziell unter die Arme zu greifen, wenn es nötig war. Viele Mitglieder kamen aus der Region Einsiedeln - aus Egg, Willerzell, Gross und Euthal - darunter auch Miltons Urgrossvater Anton (Andy) Jacob Kaelin aus Willerzell, der 1880 nach Amerika ausgewandert war. Heute hat der Vereine keine soziale Funktion mehr, sondern nur noch eine gesellschaftliche.
Milton lebt ausserhalb von Louisville im Bullitt County, nahe Mount Washington, in einem kleinen Farmerhaus am Waldrand. Dieses hat er 1982 zusammen mit seinem Vater Emil gebaut. Und Milton züchtet Tauben und stellt diese immer wieder an Ausstellungen aus. «Hier bin ich aufgewachsen, und Tauben züchte ich schon seit fünfzig Jahren, viele Jahrzehnte zusammen mit meinem Vater. Im Moment sind rund dreihundert Tiere in meinen Volièren. Deshalb ist es für mich unmöglich, nach Europa und in die Schweiz zu reisen. Ich habe niemanden, der zu den Tieren schauen würde.»
In den Jahren 1970 bis 1972 war Milton in Nürnberg bei der US-Army stationiert. «1971 reiste ich mit einem Kollegen nach Einsiedeln. Wir fuhren mit dem Zug in die Schweiz und ins Klosterdorf, blieben aber nur wenige Stunden. Es war an einem Wochenende, und montags um 8 Uhr hatten wir wieder zu arbeiten. Ich fand Einsiedeln grossartig. Und ich fragte mich, warum meine Vorfahren überhaupt von dort ausgewandert sind! An meinem Schweizer Erbe bin ich sehr interessiert. Ich möchte mehr über meine Verwandten dort erfahren und dem Namen und dem Wappen der Kaelins nachgehen.»