Schweizer Vereine in Louisville

An vielen Orten in Amerika blühte mit den europäischen Einwanderern auch das nationale Vereinswesen. Auch unter den Schweizern in Louisville. Die Vereine halfen den Schweizern in der «Neuen Welt» Fuss zu fassen. Die Mitgliedschaft war früher allerdings streng reglementiert.

Die Schweizer Vereine in Louisville haben eine lange Tradition. Der älteste von ihnen, der «Gruetli Verein», wurde 1850 von 26 Schweizer Einwanderern gegründet. Er ist benannt nach der «Rütliwiese» am Vierwaldstättersee, wo – so will es der Mythos – die Schweizer Eidgenossenschaft ihren Ursprung hat. Im Archiv des Vereins findet man neben umfangreichen Protokollbüchern aus der Gründungszeit unter anderem auch Mitgliederverzeichnisse, Statuten und Jubiläumsschriften. Blättert man in den Archivmaterialien fällt sogleich die Präsenz der stärksten Symbole aus der Schweizer Geschichte ins Auge, welche aus der alten Heimat mitgebracht und auch (oder gerade?) in der neuen Heimat gebraucht wurden. Die Schriften sind durchsetzt mit Auszügen aus dem Schweizer Bundesbrief von 1291, als Ornament eingesetzten Bergszenerien und Drucken mythischer Schweizer Heldenfiguren wie Wilhelm Tell und Arnold von Winkelried. Ein besonders eindrückliches Bild zeigt die drei Eidgenossen, welche den Eid zwischen der Urner Tellskapelle und der New Yorker Freiheitsstatue schwören.

Zum «Gruetli Verein» gesellten sich mit der Zeit eine Handvoll weitere Schweizer Vereine: Die «Swiss Helvetia Society» (gegründet 1870), die «Swiss Charity Society» (1885) und die «Swiss Ladies Society» (1930). Daneben bestanden eine Schützengesellschaft (1887) sowie mindestens zwei Schweizer Sängervereine («Alpenroesli», 1878, «Edelweiss»). Schon 1887 gab es Bestrebungen, alle Schweizer Vereine zu fusionieren. Die religiösen und politischen Unterschiede zwischen den Vereinen wurden aber als zu gross betrachtet, wie es in der Jubiläumsschrift der «Gruetli Helvetia Society» von 2000 heisst, und das Unterfangen kam nicht zustande. Die verschiedenen Vereine verfolgten, zumindest zu Beginn, auch recht unterschiedliche Interessen. Die «Swiss Charity Society» beispielsweise war zunächst eine Organisation, welche auswanderungswilligen Personen in der Schweiz, welche nicht die nötigen Mittel aufbrachten, Geld lieh und sie bei ihren ersten Schritten in Louisville finanziell unterstützte. Dem «Gruetli Verein» und der «Helvetia Society» hingegen ging es eher um die Solidarität unter den bereits in Louisville ansässigen Schweizern. Im ersten Artikel der Statuten des «Gruetli Vereins» heisst es: Dieser Verein bezweckt unter hiesigen Schweizern ein engeres Band der Eintracht und Freundschaft zu knüpfen, erkrankten Mitgliedern Unterstützung angedeihen zu lassen, und im Todesfalle deren Wittwen und Waisen mit Rath und That an die Hand zu gehen; ferner die Liebe und Anhänglichkeit an das alte Vaterland zu pflegen, und in unserer neuen Heimath der schweizerischen Nationalität Achtung zu verschaffen.

Zugelassen waren ausschliesslich Männer zwischen 18 und 45 Jahren, welche seit mindestens sechs Monaten in Jefferson County wohnhaft waren. Die Mitglieder mussten, so heisst es in den Statuten, einen «guten moralischen Charakter» besitzen und vom Verein als «geistig und körperlich gesund» anerkannt werden. Die Kandidaten mussten sich vor der Aufnahme von einem Arzt, welcher vom Verein bestimmt wurde, auf diese Eigenschaften hin untersuchen lassen. Die Abstimmung war geheim und erfolgte durch «Ballot». Jedes stimmberechtigte Mitglied konnte einen weissen oder einen schwarzen Ball in die Urne legen. Bei mehr als drei schwarzen Bällen war der Kandidat ohne weitere Begründung abgewiesen und durfte innerhalb eines Jahres keinen weiteren Antrag auf Mitgliedschaft stellen.

Auffallend im «Gruetli Verein» (weniger in der «Helvetia Society») ist die starke Präsenz von Vereinsmitgliedern mit Herkunft aus dem Kanton Schwyz. Vor allem die Einsiedler waren im Verein weit stärker vertreten als ihr zahlenmässiger Anteil an der Schweizer Gemeinschaft in Louisville erwarten liesse. Nach den Nachnamen zu schliessen, stammten 1921 rund zwei Drittel (79 von 123) der Mitglieder aus dem Kanton Schwyz, die meisten davon aus Einsiedeln. Von den damaligen Ehrenmitgliedern waren gar die Hälfte (4 von 8) in Einsiedeln geboren.

Ums Jahr 1920 zählten der «Gruetli Verein» und die «Helvetia Society» zusammen rund 260 Mitglieder. Dies war eine Minderheit aller Schweizer in Louisville. Die Vereine spielten aber dennoch stets eine wichtige Rolle innerhalb der Schweizer Gemeinschaft. Im 20. Jahrhundert interpretierten sie ihre Aufgabe zunehmend weniger als (finanzielle) Hilfeleister für ihre Mitglieder in Notsituationen. Dafür wandten sie sich verstärkt der Organisation von sozialen Anlässen zu. Vielen in Erinnerung geblieben sind etwa das jährliche «Swiss Picnic» oder die Tanzveranstaltungen in der «Swiss Hall», von 1926 bis zum Verkauf der Liegenschaft 1993 der zentrale Ort des «Schweizerischen» in Louisville. 1967 fusionierte der «Gruetli Verein» mit der «Helvetia Society» zur «Gruetli Helvetia Society». Sie sind heute noch ein reiner Männerclub, arbeiten punktuell aber mit der «Swiss Ladies Society» zusammen.

 

Quellen

Jubiläums- und Festschriften
  • Gruetli Helvetia Society of Louisville, KY, 1975/2000.
  • Gruetli Benevolent Society of Louisville, KY, 1950.
  • Helvetia Society of Louisville, KY, 1920.
  • Nordamerikanischer Schweizerbund, 1915.
  • Programm des Siebenten Sängerfests des Schweizer-Amerikanischen Central Sänger-Bundes vom 29.-30. August 1909 in Louisville, KY, 1909.
  • Louisville Anzeiger. Jubiläumsausgabe vom 1. März 1898.
Statuten
  • Gruetli-Benevolent Society, 1954.
  • Grütli-Unterstützungs-Verein, 1921.
Mitgliederzahlen

Gruetli Helvetia Society

  • 2000: 118 (ohne Juniormitglieder)
  • 1975: 128

Gruetli Verein

  • 1950: 124
  • 1921: 123
  • 1898: 104
  • 1850: 27

Helvetia Verein

  • 1920: 140

Schweizer Vereine in Louisville

  • 1850: Gruetli Verein (später Gruetli Unterstützungs-Verein)
  • 1870: Gruetli Helvetia Verein
  • 1878: Gesangsverein Alpenroesli
  • 1885: Schweizer Hilfs-Gesellschaft (noch bestehend)
  • 1887: Schweizer Schützen-Gesellschaft
  • 1930: Swiss Ladies Society (noch bestehend)
  • 1967: Fusion von Gruetli Verein und Helvetia Verein zu Gruetli Helvetia Society (noch bestehend)
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